Seltsame Zeiten …

Wer hätte gedacht, dass wir uns einmal in einer so seltsamen Zeit wiederfinden? Na, die Autoren von Dytopien vielleicht schon …
Irgendwie finde ich alles ein bisschen unwirklich und auch wenn ich auf dem Land wohne, wo es sowieso eher ruhig und gelassen zugeht, spüre ich dass in den letzten zwei Tagen das öffentliche Leben ein wenig still steht. Alles ist entschleunigt … ruhig …
Ich bin prinzipiell ein positiv denkender Mensch und möchte das auch bleiben. Das bedeutet aber nicht, dass ich komplett sorglos durchs Leben gehe. Obwohl in meiner Heimat Bayern seit Freitag Nacht eine Ausgangsbeschränkung gilt, ändert sich für mich erst einmal nicht viel. Schon vorher habe ich soziale Kontakte auf das mindeste beschränkt, bzw. ganz eingestellt. Ich halte diese Maßnahme für sinnvoll und notwendig – leider auch deswegen, weil viele junge Menschen den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Von Jugendlichen, welche ältere Menschen absichtlich anhusten und dann „Corona“ schreien, zu hören, macht mich wütend und traurig zugleich. Klar, sie gehören nicht unbedingt zur Risikogruppe, aber irgendwie dann wieder doch, denn sie können den Virus tragen und verbreiten. Was ist eigentlich los mit unserer Gesellschaft? Welche Kinderstube haben derart rücksichtlose junge Leute genossen? Es gibt natürlich immer welche, die erst, wenn sie selbst betroffen sind, einsehen, dass unser Land und die ganze Welt mitten in einer schwierigen Zeit stehen.

Um so mehr berühren mich die Geschichten, die man täglich im Radio hört, oder im TV zu sehen bekommt. Die kleinen Gesten der Freundlichkeit, Hilfeleistungen und/oder einfach nur ein paar nette, aufmunternde Worte (mit gebührendem Abstand – versteht sich).

In Zeiten wie diesen sollte man sich auf das Wesentliche besinnen. Abstand halten und zu Hause bleiben. Ist das zu viel verlangt?
Mir ist klar, dass eine Familie mit Kinder, die in einem Hochhaus wohnt, ohne Balkon, ohne die Möglichkeit wenigstens in den Garten zu gehen, schnell an ihre Grenzen kommt. Kinder unter Kontrolle zu halten, zu isolieren, und nicht durchzudrehen ist eine Mamutaufgabe. Alleinerziehende haben es doppelt so schwer. Ihnen gehört mein aufrichtiges Mitgefühl.

Uns alle trifft es irgendwie. Unsere Nachbarn wollten im April ihre kirchliche Hochzeit feiern – natürlich mussten sie allen Gästen absagen. Mein kleiner Enkelsohn, der am 13. Februar das Licht der Welt erblickt hat, sollte eigentlich demnächst getauft werden …
In wenigen Tagen feiert meine Mama ihren 8o. Geburtstag – zum ersten Mal seit ich denken kann werde ich nicht dabei sein. Es macht mich ein bisschen traurig, aber da ich gerade selbst ein bisschen verschnupft bin, möchte ich auf keinen Fall zu ihr fahren, sie vielleicht mit einem harmlosen Schnupfen anstecken und ihr Immunsystem damit schwächen. Sie und mein Papa gehören zu der Hochrisikogruppe und dieses Jahr kann ich ihnen meine Liebe nur zeigen, indem ich auch zu ihnen Abstand halte. Liebe bedeutet im Moment nicht unbedingt NÄHE, sondern eben ABSTAND.

Meinen Respekt und Dank haben all diejenigen, die helfen die Versorgung aufrecht zu erhalten. Pflegepersonal und alle, die im medizinischen Bereich tätig sind und vielleicht noch krankheitsbedingte Ausfälle von Kollegen auffangen müssen. Verkäuferinnen und Verkäufer, die täglich hunderte von Kunden bedienen, sich auch manchmal dumm anreden lassen müssen und immer einer potentiellen Gefahr ausgesetzt sind. Polizisten und Feuerwehrleute, die für unsere Sicherheit sorgen. Handwerker und Bauarbeiter, die zum großen Teil immer noch ihre Arbeit verrichten, damit nicht alles still steht. LKW-Fahrer, die unsere Lebensmittel und wichtige Güter von A nach B transportieren, damit es uns an nichts mangelt. Und nicht zu vergessen, meine ehemaligen Kollegen von der Deutschen Post, alle anderen Dienstleister von Hermes, DPD, UPS etc.
Wir sitzen zu Hause und haben genug Zeit online zu bestellen, aber sie müssen täglich raus, müssen von Haus zu Haus, von Straße zu Straße, von Ort zu Ort fahren und bringen unsere Brief und Pakete. DANKE EUCH ALLEN!!!

Mein bevorzugter Radiosender Bayern1 spielt jeden Abend um 19:00 Uhr eine spezielle Version von Dionne Warwick’s „That’s What Friends Are For“
Es soll ein Dankeschön an all die Helden des Alltags sein. Ich finde das eine wunderschöne Idee. Wer mitsingen möchte, findet auf der BR Seite sogar den Text dazu.

Eine andere schöne Idee ist es, um 19:00 Uhr eine Kerze ins Fenster zu stellen und ein „Vater unser“ zu beten. Für die Familie, die Freunde, die Nachbarn und die ganze Welt.
Wann habt ihr eigentlich das letzte Mal gebetet?

Übrigens: Es ist nicht verboten, ein schönes Buch zu lesen. Es ist nicht verboten, Briefe zu schreiben. Es ist nicht verboten, zu lachen. Es ist nicht verboten, einander Mut zu machen. Es ist nicht verboten, zu telefonieren. Es ist nicht verboten, spazieren zu gehen. Es ist nicht verboten, was Leckeres zu kochen. Es sind so viele Dinge NICHT verboten. Also Kopf hoch, durchalten und den Mut nicht verlieren.
Passt auf euch auf, bleibt zu Hause, haltet Abstand und bleibt gesund ❤

Waldweihnacht mit Krippenspiel

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde …“

Wohl alle kennen diese Zeilen und die Geschichte aus der Bibel, die mit diesen Worten beginnt. Sie erzählt von Maria und Josef, die sich auf den Weg in Josefs Geburtstadt machten. Maria war schwanger und die Reise war beschwerlich. In Bethlehem angekommen fanden sie keine Herberge und wurden überall abgewiesen. Erst nach langer Suche bot ihnen jemand einen Stall als Unterkunft an …

Alle zwei Jahre organisiert die Dorfgemeinschaft Staufersbuch zusammen mit der Blaskapelle eine Waldweihnacht mit Krippenspiel. Obwohl wir schon viele Jahre dort zur Jagd gehen, waren wir bisher noch nie dabei. Meist erfuhren wir davon, wenn es bereits vorüber war. Dieses Jahr aber kam über Whats App eine Einladung vom Dorfsprecher, worüber wir uns sehr gefreut hatten. Klar, dass wir uns das nicht entgehen lassen wollten.
Das Krippenspiel ist insofern besonders, weil es Tradition ist, dass das Paar aus dem Dorf, welches als letztes ein Kind bekommen hatte, die heilige Familie darstellte. Ort der Veranstaltung war eine kleine Wiese am Waldrand, wo auch eine Scheune steht. Der Weg dorthin war mit Fakeln ausgeleuchtet.
Zusätzlich zur Scheune hat die Dorfgemeinschaft in liebevoller Kleinarbeit eine Kulisse aufgebaut. Die Häuser mit den Holztüren sollten die Herbergen darstellen, bei denen Maria und Josef anklopften. Es gab ein Gatter mit Ziegen und Schafen, zwei Esel waren da und Hirten, die um ein Lagerfeuer saßen.
Zu Beginn der Veranstaltung spielte die Blaskapelle einige Weihnachtslieder und viele Besucher fanden sich ein. Nachdem Dorfsprecher und Initiator, Wolfgang B., die zahlreichen Besucher begrüßt hatte, las er aus dem Lukas Evanglium die Weihnachtsgeschichte. Die „schwangere“ Maria und Josef machten sich auf den Weg in Josefs Geburtstadt Bethlehem …
Musikalisch wurde ihre beschwerliche Reise vom „Dreigesang“ untermalt.
Auf ihrer Suche nach einer Herberge klopften sie an viele Türen und wurden oft abgewiesen, bis sie erschöpft an einen Herbergswirt kamen, der ihnen zumindest einen Platz in seinem Stall anbot, wo sie es zwischen Ochs und Esel im Stroh zumindest warm und trocken hatten.
Jeder kennt die Weihnachtsgeschichte und weiß, dass Maria in dieser Nacht ein Kind gebar. Gottes Sohn, Jesus, den Gott als Heiland und Retter auf die Erde geschickt hatte. Ein Engel, der auf dem Dach der Herberge stand verkündete dies den Hirten …

„Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“

Die Hirten machten sich auf den Weg, ebenso die Heiligen drei Könige aus dem Morgenland. Sie brachten Gold, Weihrauch und Myhrre als Geschenke und kieten vor dem Kind in der Krippe, um es anzubeten.

Die kleine Frieda, welche das Jesuskind darstellte lag ganz still und warm eingepackt in einer Krippe im Stall.
Ich muss gestehen, das mich die Darstellung sehr berührt hat. Der Gedanke, dass eine hochschwangere Frau mit ihrem Mann eine so beschwerliche Reise auf sich nehmen musste, von vielen Menschen abgewiesen wurde und schließlich unter widrigen Umständen ein Kind in einem Stall zur Welt gebracht hat, es in Windeln wickeln und in eine Krippe legen musste, hat mein Herz berührt. Natürlich kenne ich diese Geschichte schon seit meiner Kindheit, und doch war es etwas ganz besonderes, sie so zu erleben. Die „Schauspieler“, die Musik und die Stimmung waren einfach wundervoll. Zum Abschluss spielte die Blaskapelle „Stille Nacht, Heilige Nacht“, für mich das schönste und ergreifendste Weihnachtslied, welches das Krippenspiel perfekt abgerundet hatte. Mehr als einmal musste ich schlucken und war dankbar, dass ich dieses Jahr die Waldweihnacht nicht verpasst hatte. Im Moment, als der Engel die Geburt des Kindes verkündet hat, kam mir der Gedanke, dass wir in der Welt, wie sie jetzt ist, vielleicht wieder so ein Wunder gebrauchen könnten. Ein Kind, welches uns Menschen und die Welt retten wird …

Überhaupt habe ich festgestellt, dass ich dieses Jahr besonders sentimental bin. Ob es um Kinder geht, die keine Familie haben, oder in so armen Verhältnissen leben, dass es für sie kein besonderes Essen, einen Weihnachtsbaum oder Geschenke gibt, oder um alte Menschen, die niemanden haben, der sie an Weihnachten besucht, immer wenn ich von einem traurigen Schicksal höre, muss ich schlucken und mir einen Träne verkneifen. Dann wird mir wieder bewusst, wie reich ich bin. Und ich meine nicht in Form von Geld und Besitz. Nein, mein Reichtum besteht darin, dass ich das Glück habe, die Mutter von zwei wunderbaren Töchtern zu sein, zwei ebeso wundervolle Stiefsöhne zu haben, Schwiegerkinder und Enkelkinder, die gesund und lebensfroh sind und einen Ehemann, auf den ich mich immer verlassen kann und der gleichzeitig mein bester Freund ist. Ich sehe es als Reichtum an, dass meine Eltern noch bei guter Gesundheit sind und dass ich eine Schwester habe, auf die ich immer zählen. Auch in unserer Familie ist man nicht immer einer Meinung – und das muss man auch nicht sein. Man muss sich auch nicht täglich sehen, aber wenn es darauf ankommt, weiß man, man ist nicht allein und alle halten zusammen. Vielleicht ist das auch ein Teil der Botschaft von Weihnachten. Es ist nicht wichtig, ein dickes Auto zu fahren, große Reisen zu machen, teure Kleidung zu tragen oder ein pralles Bankkonto zu haben. Es ist wichtig zufrieden zu sein, verzeihen zu können, füreinander da zu sein, Gesundheit zu schätzen zu wissen und vor allem Liebe im Herzen zu tragen. In diesem Sinne wünsche ich euch noch schöne Feiertag und für 2020 alles Gute.

Episode 4 – Geschichten aus dem Alltag einer Zustellerin

Auf manche Dinge könnte man gerne verzichten!

Männer und Frauen in Unterwäsche oder noch schlimmer: ganz nackt! Tatsächlich, das gibt es. Und zwar gar nicht so selten wie man glauben möchte. Eigentlich finde ich es nicht schlimm, wenn mir jemand im Bademantel die Tür aufmacht. Klafft dieser allerdings auf und gibt den Blick auf das männliche Geschlecht völlig ungeniert frei, bin ich schon etwas irritiert. Gut, ich versuche dann eben, meinen Blick fest auf das Gesicht meines Gegenübers zu richten. Ist ja nicht so, dass ich noch nie einen nackten Mann gesehen hätte … Solange sein Ding unten bleibt und sich nicht plötzlich aufrichtet, ist mir das herzlich egal.

Feinripp
Ich habe einen Einschreibbrief, den ich nur eigenhändig übergeben darf. Die Mutter des Empfängers öffnet, ich bin freundlich wie immer und grüße sie: „Guten Morgen, Frau Worm, ich bräuchte Ihren Sohn persönlich, ist er da?“
Ja, natürlich, aber können Sie den Brief nicht gleich mir geben?“Leider nicht. Einschreiben eigenhändig, das darf ich nicht. Ihr Sohn muss selbst dafür unterschreiben.“ Sie nickt und geht, um ihren Sohn zu holen. Anscheinend hat er noch geschlafen, denn es dauert eine Weile, bis er mit verwuschelten Haaren in Unterwäsche erscheint. Ich kann nichts dafür, aber mir sticht sofort der gelbe Fleck vorne auf seiner weißen Feinrippunterhose ins Auge. Ich versuche professionell das Schaudern, welches mich überkommt, zu verbergen. Stefan Worm unterschreibt und bekommt den Brief ausgehändigt, dann verabschiedet er sich und dreht sich um und kehrt in die Wohnung zurück. Ich schnappe nach Luft. Von hinten bietet die Feinrippunterhose einen noch viel ekeligeren Anblick. Sie ist braun! Das ist wirklich, wirklich ein Moment, in dem es mir die Sprache verschlägt und ich nur noch mache dass ich weg komme. Noch heute schüttelt es mich, wenn ich daran denke …

Wenn ihr nun denkt, das ist schon das Schlimmste, was ich bei meinen Zustelltouren erlebt habe, dann haltet euch fest. Es kommt noch schlimmer:

Der Exhibitionist
Das kleine landwirtschaftliche Anwesen der Familie Schmoll (wie immer: Name geändert) liegt am Ende des Ortes. Herr Schmoll ist bereits Rentner und seit meine Kolleginnen und ich regelmäßig diese Tour fahren, sieht man ihn des Öfteren im Hof stehen, sobald das gelbe Postauto angerollt kommt.

Eines Tages habe ich den Verdacht ihn beim „Freipinkeln“ erwischt zu haben, denn er dreht sich mit offenem Hosenlatz zu mir herum.
Naja, kann ja mal passieren, dass es so eilig war und er es nicht mehr ins Haus geschafft hat, denke ich.
Respektvoll ignorierte ich das und bemühte mich, ihn nicht offensichtlich anzustarren. Wahrscheinlich ist es ihm peinlich genug.

Allerdings musste ich feststellen, dass dieses eine Mal nicht die Ausnahme war, denn im Gegenteil, er begann erst dann damit, seine Hose zu öffnen, wenn ich im Anmarsch war. Ein Gespräch mit den Kolleginnen bestätigte den Verdacht, dass es sich hier um einen kranken Typen handelte, der sich anscheinend daran aufgeilt, wenn er sein Geschlechtsteil den Postbotinnen zeigen kann. Er tat es nicht nur bei mir, er stellte sich auch bei den Kolleginnen jedes Mal provokativ mit offener Hose direkt in den Weg …

Wer sich jetzt fragt, warum wir ihn nie darauf angesprochen haben, den will ich fragen: „Wart ihr schon einmal in einer solchen Situation?“
Ich selbst hätte niemals gedacht, dass man sich so schämt, obwohl man gar nichts Falsches gemacht hat. Auch wenn ich selten um Worte verlegen bin, in diesem Fall brachte ich einfach keinen Ton heraus. Hundert Mal malte ich mir aus, wie ich ihn auslache, oder ihm etwas Freches an den Kopf werfe … So nach dem Motto: „Pack dein jämmerliches Würstchen wieder ein!“
Und jedes Mal überkam mich ein ungutes Gefühl, wenn ich in den Hof der Familie Schmoll fahren musste. Jedes Mal, wenn er sein Ding vor mir wedelte, ekelte es mich und ich machte nur noch, dass ich wegkam.
Es blieb nicht aus, dass unser Teamleiter davon Wind bekam. Er riet uns, zur Polizei zu gehen, was wir auch taten. Eine Kollegin und ich gingen zusammen und erstatteten Anzeige. Eine andere Kollegin weigerte sich, obwohl auch sie „Opfer“ seiner exhibitionistischen Neigung war. Die dritte Kollegin schloss sich uns an. Die Polizisten waren richtig sauer, als wir von den Vorfällen erzählten und es dauerte nicht lange, da fuhr ein Polizeiauto im Hof der Schmolls vor.
Zwei Tage später, war der Chef der Niederlassung zufällig da, als es am ZSP klingelte. Herr Schmoll stand vor der Tür, hielt eine Schachtel Pralinen in der Hand und wollte die „Damen“ sprechen, die Anzeige erstattet hatten.
Die „Damen“ wollten aber nicht mit ihm sprechen und so kam es, dass unser Chef die Pralinen entgegennahm und sich mit dem sauberen Herren unterhielt. Herr Schmoll erzählte ihm, dass alles ein Missverständnis gewesen sei. Falls wir uns belästigt gefühlt haben, möchte er sich entschuldigen und uns bitten, die Anzeige zurückzuziehen. Für den Fall, dass wir uns weigerten, sollte unser Chef doch bitte dafür sorgen, dass wir vernünftig werden!

Auch wenn der Chef nicht mein Lieblingsmensch war, für seine Reaktion darauf muss ich ihm Respekt zollen. Er sagte Herrn Schmoll mehr als deutlich, was er von ihm hielt und erklärte ihm, dass er niemals auf seine Mitarbeiterin einreden würde, damit sie die Anzeige zurückziehen. Im Gegenteil. Er würde voll und ganz hinter uns stehen. Ich muss nicht erwähnen, dass wir weder die Schachtel Pralinen angenommen noch die Anzeige zurückgezogen haben, oder?

Herr Schmoll wurde verurteilt und musste ca. 3000 € Strafe zahlen. Seitdem sorgt seine Frau dafür, dass er nicht mehr im Hof steht, wenn das gelbe Postauto um die Ecke kommt.

ACHTUNG HUND!Bild von Mondfisch auf Pixabay

Bild: von Mondfisch auf Pixabay

Hunde mögen Postboten nicht! Das ist die gängige Meinung, der ich aber wiedersprechen möchte. Mit Hunden ist es wie mit Menschen. Es gibt freundliche, neugierige, laute, unfreundliche, aggressive und herzallerliebste Vierbeiner. Als Postbote ist man gut beraten, wenn man sich von Anfang an gut mit den Wächtern des Hauses stellt.

CARLO
Carlo war ein schwarzer Labrador, den ich kennengelernt habe, als er noch ein Welpe war. Ein kleines schwarzes Knäuel mit feuchter Nase. Wir haben uns geliebt, Carlo und ich. Jeden Tag kam er mir freudig mit dem Schwanz wedelnd entgegen um seine Streicheleinheiten abzuholen. Mit Einverständis der Besitzer bekam er auch immer ein Leckerli, sobald er die harten Stückchen kauen konnte.
Carlo hörte mich schon von weitem kommen und als er groß genug war, sprang er schon mal über den Zaun und lief mit entgegen, sobald er mein Fahrrad hörte. Das war natürlich nicht so prickelnd, weil er vor lauter Freude einfach über die Straße lief und auch auf kein Kommando mehr hörte, bis er vor mir stand und seinen Kopf an meinem Bein rieb.

Herrchen packte ihn eines Tages am Kragen, schleifte ihn zurück und verpasste ihm einen Tritt. Das tat mir wahrscheinlich sogar mehr weh, als Carlo, denn ich fühlte mich verantwortlich. Seit diesem Tag wurde es mir verboten, ihm Leckerlis zu geben und so leid es mir tat, ich hielt mich daran.

SANDY
Die kleine Sandy war eine Yorkshire-Terrier Hündin. Auch wenn ich lieber große Hunde mag, diese süße Maus hat es mir angetan. Sobald sie mich erblickte, legte sie sich auf die Straße, rollte sich auf den Rücken und erst, nachdem ich ihren Bauch gekraul hatte, stand sie wieder auf. Sie war so putzig und hüpfte dann wie ein kleines Häschen neben mir her. Wenn ich ihr ein Leckerli gab, trug sie es ins Haus und bewachte es, wie einen Schatz. Ihre Besitzerin erzählte mir immer, dass sie es tagsüber versteckte und Abends, wenn die Familie vor dem Fernseher saß, hervorholte und genüsslich verspeiste. Sogar in meiner Fahrradtasche ist sie schon mitgefahren. Es gab da auch mal ein Foto von ihr und mir, doch leider ist es verschollen. Ich hätte es euch zu gerne gezeigt. Die kleine Sandy ist nun schon lange über die Regenbogenbrücke gegangen und hat nicht nur bei ihrer Familie eine klaffende Lücke zurückgelassen …

DER HUNDEBISS
Okay, auch das will ich nicht verschweigen. Ja, ich hatte durchaus Hunde, die mir weniger freundlich gesonnen waren. Dem Staffordshire Terrier der Familie Macher habe ich eine schmerzhafte Bisswunde zu verdanken.

Frau Macher öffnete mir die Tür und hatte ihr Baby im Arm. Der Hund an ihrer Seite wollte die offene Haustür nutzen und sich aus dem Staub machen. Frau Macher griff nach dem Halsband, um ihn zurückzuhalten, und brach sich dabei einen ihrer auf Hochglanz polierten Fingernägel ab. Sie schrie auf, als wäre etwas wirklich Schlimmes passiert und der Hund biss mich in den Oberschenkel. Und zwar heftig. Frau Macher brauchte eine Weile, bis sie den schrecklichen Verlust ihres ach so wertvollen Fingernagels überwunden hatte und zog nach einer gefühlten Ewigkeit endlich ihren Hund von mir weg. Hundebisse brennen wie die Hölle, musste ich damals festellen. Eine zerrissene Hose und ein tiefdunkelblauer Fleck blieben mir als Erinnerung an diesen Hund. Mein Glück war, dass die Zähne nicht ins Fleisch gedrungen waren. Von diesem Tag an hatte ich immer ein mulmiges Gefühl, wenn ich an diesem Haus vorbeifuhr. Ein paar Wochen später erfuhr ich, dass der Hund ein Nachbarkind und eine alte Dame ebenfalls angegriffen hatte und Familie Macher ihn daraufhin abgeben musste.Darüber war ich nun gar nicht traurig …

Kater Chester

Ich habe noch eine tierische Geschichte, welche nicht mit einem Hund sondern mit einem Stubentiger zu tun hat. Katzen sind ja bekanntlich eigenwillig, was vielleicht der Grund ist, dass manche Menschen sie nicht mögen. Katzen lassen sich nicht dressieren. Alles was sie tun, tun sie nur, weil sie es wollen. Katzen suchen sich auch ihre Besitzer selbst aus. Wenn ihnen etwas nicht passt, kann es schon vorkommen, dass sie einfach umziehen und sich neue Dosenöffner suchen …
Chester war ein Traumkater. Groß und stattlich, braun-schwarz getigert und unheimlich süß. Er wohnte in der Thomas-Mann-Straße, in einem Wohnblock. Seine Besitzerin war drogenabhängig, hatte ein kleines Kind, um welches sie sich nicht kümmerte und so kam es, dass Chester viel draußen war und um das Haus herumschlich. Immer wenn ich mit meinem Auto angefahren kam und begann die Post in die Briefkästen zu werfen, kam angelockt durch das Geklapper, der Kater um die Ecke und strich um meine Beine. Dabei erzählte er mir lautstark in Katzenmanier, was ihn bewegte. Ich durfte nicht gehen, bevor ich ihm nicht eine ausgiebe Portion Streicheleinheiten verpasst hatte und selbst dann, maunzte er mir noch herzergreifend nach.
Ein Gespräch mit der Nachbarin wühlte mich sehr auf. Chesters Besitzerin sollte in eine Entzugsklinik eingewiesen werden. die Nachbarin, Sabine, arbeitet beim Tierschutz und erzählte mir, dass sie Chester ins Tierheim bringen würde. Ob ich nicht jemanden wüsste, bei dem er einen guten Platz bekäme, fragte sie mich. Zu diesem Zeitpunkt gehörten zu unserer Familie außer unserem Jagdhund Nala auch drei Katzen, davon ein Kater. Für mich war es unmöglich, Chester aufzunehmen, denn niemals hätte Kater Smoky ihn geduldet, ganz zu schweigen von Nala. Nur „ihre Katzen“, die sie schon vom Welpenalter an kannte, akzeptierte sie. Jede fremde Katze wurde vom Hof gejagt. Ich war traurig darüber, dass der wunderschöne verschmuste Kater im Tierheim landen sollte und zerbrach mir den Kopf darüber, wie ich ihn vor diesem Schicksal bewahren konnte. Zu Hause erzählte ich unseren Kindern davon. Meine beiden erwachsenen Stiefsöhne waren sich einig. Das können wir nicht zulassen. Da sie beide nicht mehr bei uns wohnten, war schnell klar: Sie würden Chester zu sich nehmen.
Ich kontaktierte Sabine und sie war sofort begeistert von der Idee. An einem Samstag, ich hatte den Katzentransportkorb dabei, fuhr ich nach der Zustellung noch einmal in die Thomas- Mann-Straße, um Chester mit nach Hause zu nehmen. Wie immer kam er freudig auf mich zu und ließ sich in den Transportkorb bugsieren. Natürlich maunzte er auf dem Fahrt ein wenig weil er nicht wusste, was nun mit ihm geschieht. Ich lieferte ihn bei unseren Söhnen ab und hoffte, sie würden ihn genauso lieb gewinnen wie ich. Chester hatte noch zwei schöne Jahre, in denen er verwöhnt und geliebt wurde, dann bekam er die schreckliche Katzenkrankheit FIP und musste erlöst werden. Es ist mir ein Trost, zu wissen, dass er zuletzt ein liebevolles Zuhause hatte und ich werde ihn wohl nie vergessen, diesen außergewöhnlich lieben, wunderschönen Kater.

Das Foto ist lediglich ein Beispielbild, weil es leider keine Fotos von ihm gibt. (Bild von Katrin D. auf Pixabay)

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Wer nicht wirbt, stirbt!

Klingt dramatisch, nicht wahr?

Ist aber schon etwas  dran. Ein erfolgreicher Unternehmer hat diesen Spruch zu seinem Lebensmotto gemacht und alles und jeden mit Werbung überschüttet.
Als Autorin möchte man eigentlich nur schreiben und gelesen werden. Das mit dem Schreiben ist einfach: immer wenn man Zeit dazu hat, setzt man sich an dem PC und haut in die Tasten. Das mit dem gelesen werden ist schon schwieriger. Wenn keiner dein Werk kennt, wird es auch nicht gelesen. Dann ist die Arbeit von Monaten umsonst und das Geld für Korrektur und Coverdesign zum Fenster hinausgeworfen. Was also tun?
Richtig: Werben!
Manchmal ist es echt lästig, aber ein notweniges Übel. Natürlich möchte ich meine Geschichten verkaufen und deshalb muss ich werben. Ich möchte bei Amazon ein gutes Ranking erreichen, damit ich gesehen werde und Leser auf mein Buch aufmerksam werden. Ich muss Lesezeichen drucken lassen, um den Lesern, welche Taschenbücher direkt bei mir kaufen, ein kleines Goodie dazuzulegen. Ich biete Covertassen an und überlege mir was ich mir sonst an Werbematerial leisten kann. Wichtig ist auch die Präsenz auf meiner Facebookseite und meinem Blog. Die Büchergruppen in denen ich bin, sollte ich auch nicht vernachlässigen, Blogger und Freunde, Leser, die meine Seite geliket haben – alle sollte man von Zeit zu Zeit bei Laune halten …
Manchmal gelingt mir das gut, manchmal weniger gut. Vielleicht nerve ich euch hin und wieder, doch glaubt mir, ich kämpfe um jedes Däumchen und freue mich umso mehr, über eure Reaktionen und Interaktionen. Ich freue mich über Rezensionen und Kommentare und ich bemühe mich, nicht von euch vergessen zu werden, während ich an einem neuen Buch schreibe. Sobald es fertig ist, beginnt der Kreislauf von Neuem. Werben, aufmerksam machen, um Rezensionen bitten! Bezahlte Werbung ist teuer und die Eurostückchen, die ich ausgebe, ergeben einen Berg, der wieder abgetragen werden will.
Gewinnspiele bringen große Aufmerksamkeit, kosten aber wieder Geld. Was ich damit sagen will ist folgendes: ich bin Autorin und kein Werbeprofi. Auch kein Steuerfachmann. Ich will eigentlich schreiben, muss aber eine akribische Buchführung machen (so ganz nebenbei) und Marketing. Ich muss zusehen, dass ich in der Masse von Autoren nicht untergehe und dafür brauche ich euch. Seht es mir bitte nach, wenn es Zeiten gibt, in denen ich wenig von mir hören lasse. Seht es mir bitte nach, wenn ich dann wieder öfter präsent bin, um mein neues Buch zu bewerben. Und seht es mir nach, wenn ich euch um eine Rezension bitte. Auch sie sind wichtig, aber ich kann sie nicht beeinflussen. Ich kann niemanden zwingen, ein paar Sätze zu schreiben, die mir helfen.

Und jetzt? Ich veröffentliche diesen Beitrag und öffne dann mein neues Projekt. Ich begleite Trouble und Meghan, hoffe, dass ich die beiden irgendwie zusammenbringe und tauche für die nächsten Stunden komplett unter.

 

Zwischendurchhäppchen

Manchmal braucht es während eines Schreibprozesses einfach eine kleine Abwechslung um wieder den Kopf frei zu bekommen. Da kommt eine Spielerei mit Windows Movie Maker gerade recht 😉
Auf die Schnelle habe ich mal so ein Minivideo (28 Sekunden) gebastelt, welches exakt zu der Szene passt, die ich gerade schreibe. Wer Facebookverweigerer ist, kriegt nicht so viel mit, weil ich diesen Blog nicht so regelmäßig update wie meine Facebookseite. Aus diesem Grund habe ich euch hier den Link zum Video eingefügt.
https://bit.ly/2VFlGnb
Ihr landet zwar damit auch bei FB, aber wenn alles klappt, direkt beim Minivideo. Bitte mit Ton ansehen …

P.S. Ich begleite Trouble jetzt mal mit ins Sheriff Department und hoffe, der Junge bekommt nicht noch richtig viel Ärger.

Weihnachtswahnsinn – aus dem Alltag einer Zustellerin

Alle Jahre wieder …

beginnt der Weihnachtswahnsinn für die Zusteller der Deutschen Post meistens schon im September, steigt im Oktober kräftig an und erreicht seinen Höhepunkt … meistens erst an Heilig Abend. Ja. Richtig. Die letzten Tage vor dem besinnlichen Fest sind noch einmal Stress pur. Die Zusteller verlassen sehr früh das Haus und kehren sehr spät zurück. In der Zeit dazwischen schleppen sie Weihnachtskarten- und Briefe, Werbung, Zeitschriften und natürlich Unmengen an Päckchen, Paketen und Warensendungen. Wenn sie Glück haben bei trockenem Wetter und freien Straßen, mit weniger Glück bei Kälte, Regen, Schnee und Eis.

Was sich viele Kolleginnen und Kollegen, die in der Stadt arbeiten,  gar nicht vorstellen können, ist bei uns auf dem Land doch sehr real. Die Schneeketten müssen mit, wenn man auf dem Land zustellt.

Es ist kalt, es hat geschneit wie verrückt. Auto vom Schnee befreien, Scheibe abkratzen und dann beten, dass der Diesel anspringt.

Puh, geschafft. Jetzt beladen. Die Pakete und Päckchen türmen sich, wollen eingescannt und mit Bedacht eingeladen werden. So viel wie möglich muss mit und was ich zuerst brauche sollte nicht ganz hinten liegen. Logisch, oder? So, das wäre auch erledigt und jetzt dick einpacken, denn es ist schweinekalt. Die dicken Winterstiefel, Schal, Mütze und Handschuhe (mit denen man nicht gut arbeiten kann, weil sie einen einfach behindern) und die Winterjacke, dann kann es losgehen. Die Hauptstraßen sind geräumt und gestreut, es geht gut voran. Aber leider habe ich heute wieder den Bezirk außerhalb der Stadt. Erfahrungsgemäß liegen hier immer ein paar Zentimeter mehr Schnee und die Wege zu den einzelnen Gehöften, die ich anfahren muß sind wegen dem vielen Schnee nur noch zu erahnen. Ich setze den Blinker und verlasse die Hauptstraße. Fahre mit einem mulmigen Gefühl den Hügel hinunter, der mich zu einem kleinen bewohnten Schlösschen führt. Es ist nur im Winter, wenn die Bäume kahl sind von der Straße aus zu erahnen. Räumdienst? Fehlanzeige! Das ist ein Privatweg, den die Stadt nicht anfährt um ihn zu räumen. Hier ist der ungeteerte Weg höchstens glatt gefahren, also schön langsam, damit ich ja nicht ins Rutschen komme. Unten angekommen, atme ich erst mal auf. Vor dem großen schmiedeeisernen Tor halte ich an und stehe fast bis zu den Knien im Schnee als ich aussteige. Schnell die Briefpost und die Pakte aus dem Auto zusammensuchen und dann ab durch das Tor, zum Schlösschen. Zum Glück macht gleich jemand auf, sodass ich mich schnell wieder auf den Rückweg machen kann.
Da beginnt dann aber das Problem. Runter ging, aber rauf? Keine Chance. Mitten im Berg lässt mich das Auto im Stich und ich fluche laut. Mist. Muss ich tatsächlich die Schneeketten aufziehen?
Ja! Ich muss!
Ich setze vorsichtig zurück um den Wagen auf einem geraden Stück anzuhalten. Dann geht es los. Zwar habe ich schon einmal bei trockenem Wetter geübt und weiß theoretisch, wie die blöden Dinger anzubringen sind, doch die klammen Finger und der viele Schnee machen es mir nicht leicht. All das kostet mich Zeit. Kostbare Zeit an Tagen wie diesen, wenn das Auto bis unters Dach vollgestopft ist und ich sogar noch mindestens einmal nachladen muss, um all die Pakete zuzustellen.
Aber ich schaffe es und komme – oh Wunder, auch den Berg hoch. Bevor ich auf die „richtige Straße“ fahre, müssen aber die Schneeketten wieder abmontiert und im Auto verstaut werden. Wieder braucht das Zeit, die ich eigentlich nicht habe …

Die Stunden verfliegen irgendwie und ich habe das Gefühl, mein Auto wird nicht leer. Mein Magen knurrt, die Finger sind klamm und die Laune auf dem Tiefpunkt. Viele denken vielleicht: wieso friert sie? Tja, ganz einfach, der Motor des Postautos wird nicht warm, weil ich ihn alle paar Meter abstellen muss und er so nie seine Betriebstemperatur erreicht. Früher, als ich noch auf dem Fahrrad unterwegs war, habe ich nicht so gefroren weil mir durch das Treten in die Pedale warm geworden ist.
Aber es gibt doch immer wieder Menschen, die einem wie rettende Engel erscheinen. Frau Moll erwartet mich schon und steht mit einer riesigen Blechdose in der Tür.
„Für sie!“, mit diesen Worten überreicht sie mir die Dose. Ich bedanke mich und linse neugierig hinein. Darin erblicke ich die schönsten Plätzchen, liebevoll verziert, jedes für sich ein wahres Kunstwerk und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Ich bedanke mich herzlich und sobald ich im Auto sitze, wandert das erste auch schon in meinem Mund. Mhmmm … fantastisch. Nougat, Karamell, kandierte Kirschen, helle und dunkle Schokolade … lauter Kalorienbomben, aber einfach mega lecker, und mein Blutzuckerspiegel ist auch wieder in Ordnung nachdem ich die halbe Dose aufgefuttert habe.

Es wird spät, die Uhr arbeitet gegen mich. In den Häusern gehen die Lichter an, die weihnachtliche Beleuchtung im Garten auch – nur ich stapfe noch unverdrossen durch den Schnee …

In den letzten Tagen vor Weihnachten werde ich immer wieder erwartet und Schokolade, Lebkuchen, Pralinen, Wein und Sekt wandern in mein Auto. Ein kleines Dankeschön meiner Kunden. Oft bekomme ich einen Umschlag mit einer schönen Karte darin, auf der rührende, persönliche Worte stehen. Manchmal steckt mir jemand einfach so einen Schein zu, manchmal bekomme ich auch etwas selbst gebasteltes. Ein wunderschöner großer Papierstern schmückt schon seit Jahren mein Haus in der Weihnachtszeit und Kerzen in hübschen Gläsern tauchen das Zimmer in warmes Licht. Egal was es ist, ich freue mich über jedes Geschenk und sei es noch so klein. Persönliche Worte auf einer Karte bedeuten mir sehr viel und lassen mich den ganzen Stress überstehen. Ein Kerzenhalter, selbst gestrickte Socken, sogar Zigaretten und ein Feuerzeug dazu, ein Glas Rumtopf, Duschgel, Pflegecreme, Weihnachtssterne oder selbst gebackener Stollen – all diese kleinen Dinge bedeuten mir viel. Sie sind eine Anerkennung für meine Arbeit, denn sie kommen von Herzen. Genau das war es, was ich an meinem Job geliebt habe: die Menschen! Es kommt nicht darauf an, wie viel man von jemandem bekommt, wichtig ist, dass sich jemand Gedanken gemacht hat und mir eine Freude machen wollte. Dass sich jemand an den Tisch gesetzt hat und mir ein paar persönliche Worte geschrieben hat. Ein warmer Händedruck und ein aufrichtiges „Dankeschön für die Arbeit, die Sie bei jedem Wetter das ganze Jahr über leisten“, tun so gut.

Ich gestehe, dass ich selbst oft online bestelle. Wenn man auf dem Land wohnt, ist das so praktisch – ich kann Preise vergleichen und habe einfach eine riesige Auswahl, ohne mich mit Parkplatzproblemen herumschlagen zu müssen. Aber ich weiß auch, wie anstrengend der Job eines Zustellers ist – und aus diesem Grund liegt bei uns kurz vor Weihnachten für den Zusteller ein Päckchen bereit. Ein kleines Dankeschön für seine Arbeit.
Vielleicht habt ihr ja auch jemanden, bei dem ihr euch bedanken möchtet. Bei Freunden, die immer für euch da sind, bei Nachbarn, die eure Blumen gießen, wenn ihr im Urlaub seid, ganz egal …
Und vielleicht schleppt euer Zusteller, oder eure Zustellerin auch das ganze Jahr über Pakete zu euch nach Hause, schlittert über glatte Straßen, kämpft sich durch den Schnee oder wird nass bis auf die Haut …
Weihnachten ist ein schöner Zeitpunkt DANKE zu sagen.

Ich wünsch euch allen noch eine schöne Adventszeit ❤

Hier gibt es was zu gewinnen!

Heute gibt es bei HEDWIGS BÜCHERSTUBE gleich zwei Gewinnspiele. Wenn das bei dem Schmuddelwetter keine gute Nachricht ist, dann weiß ich auch nicht …
Was ihr tun müsst?
Ganz einfach: schaut mal bei den Mädels von Hedwigs Bücherstube rein und macht mit. Und vor allem: bleibt dran, denn im Laufe des Tage gibt es noch mal was zu gewinnen. Ich sag nur: HULK 🙂

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Ich wünsche euch ein kuscheliges Adventswochenende und viel Glück ❤

Geschichten aus dem Alltag einer Zustellerin – Episode 3

Der kleine Verehrer

Familie Braun wohnt noch nicht sehr lange in der Karlstraße. Ich kenne sie noch nicht so gut, weiß aber, dass sie drei Kinder haben. Eines Tages habe ich das erste Paket für sie und klingle an der Haustür. Das Paket ist groß und schwer. Frau Braun, eine große, kräftige Frau öffnet mir und hinter ihr spitzt ein blonder zierlicher Junge hervor.

„Hallo“, grüße ich freundlich. „Ich hab da ein schweres Paket für Sie, würden Sie mir vielleicht helfen?“, frage ich.
„Na klar, das ist unser Pferdefutter. Wissen Sie, dieses spezielle Müsli gibt es nur online, sorry“, antwortet Frau Braun und kommt die drei Stufen hinunter, der kleine Junge hängt an ihren Beinen. „Hallo, wer bist du denn?“, frage ich und gehe ein wenig in die Knie, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.
„Das ist Robin“, antwortet die Frau, der Junge blickt mich schüchtern an, dann lächelt er zaghaft. „Robin hat Sprachprobleme. Er war ein Frühchen und lange Zeit unser Sorgenkind“, sagt sie und streichelt ihm über den blonden Schopf.
„Hallo Robin“, sage ich und dann hole ich mit Frau Braun zusammen das große Paket aus dem Auto.
„Das stellen wir hier einfach ab. Mein Mann packt das später in sein Auto und nimmt es mit in den Stall.“
Wir kommen ein bischen ins Gespräch. Ich erzählt ihr, dass wir auch Pferde hatten. Als ich mich verabschiede, winkt Robin mir nach. Am nächsten Tag sehe ich Robin mit seiner Mutter auf der anderen Straßenseite laufen. Als er mich sieht, winkte er freudestrahlend und ich winke zurück.
Jedes Mal wenn ich bei Familie Braun klingeln muss, weil ich ein Paket habe, kommt Robin angesaust, überschlägt sich fast und reißt die Haustür auf. Je länger wir uns kennen, desto mutiger wird er. Er mal Bilder für mich, spricht mit mir( wobei ich oft Schwierigkeiten habe, ihn zu verstehen) und immer strahlt er mich an, als wäre ich das schönste Wesen in seiner Welt. Manchmal ist er so überschwänglich, das er meine Beine umklammert und mich gar nicht mehr loslassen will. Er ist rührend und seine Mutter amüsiert sich darüber. Irgendwann erzählt sie mir, dass Robin ihr voller Überzeugung mitgeteilt hat, dass er die Postbotin heiraten wird, weil sie seine Freundin ist. Zu Weihnachten bekomme ich eine Tüte Plätzchen – handverlesen von Robin natürlich und auch von ihm liebevoll verpackt. Sein neues Zimmer muss ich unbedingt besichtigen, sobald es fertig ist, eher lässt er meine Beine nicht los und an Ostern überreicht er mir stolz ein selbst gebackenes Osterlamm.
Inzwischen ist der kleine Robin ein Teenager und ich habe ihn schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, trotzdem denke ich oft an den kleinen liebevollen Kerl zurück, dessen erste große Liebe wohl ich war …

Das Urlaubsmitbringsel

Familie Hortmann aus der Marienstraße gehört auch zu den Menschen in meinem Bezirk, die ich in mein Herz geschlossen habe …
Frau Hortmann bestellt regelmäßig und so klingle ich mindestes zwei Mal in der Woche auch bei ihnen. Heute erzählt sie mir, dass sie übermorgen in den Urlaub fahren.

„Oh, wie schön, wo geht es denn hin?“, frage ich.
„Nach Indien, wir machen eine Rundreise“, sagt Frau Hortmann, während ich ihr Paket einscanne und ihr dann den Stift reiche, damit sie auf dem Display unterschreibt.
„Ach, da beneide ich Sie richtig. Können Sie mir nicht eine dieser mehrarmigen Göttinnen mitbringen?“, scherze ich und meine das als Anspielung auf meinen Job, bei dem ich oft mehr als zwei Hände brauchen könnte. Sie lacht und sagt augenzwinkernd: „Mal sehen, was sich machen lässt.“
Nach einem kleinen Plausch, verabschiede ich mich mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen einen supertollen Urlaub und kommen Sie heil wieder zurück“, und fahre weiter.

Drei Wochen später klingel ich erneut. Die Hortmanns sind aus dem Urlaub zurück und die Post, welche in dieser Zeit gelagert wurde, liegt in einer großen gelben Postkiste, welche ich aus dem Auto hole.

„Hallo Urlauber“, grüße ich, als Frau Hortmann mir öffnet. „Ich habe ihre Lagerpost hier. Es ist eine ganze Menge und passt nicht in den Briefkasten.“
Ich stellte den Behälter auf der Zaunsäule ab.
Frau Hortmann sieht gut erholt aus und erzählt mir von ihrer fantastischen Reise. „Indien ist wunderschön. Bunt, lebendig und anders. Allerdings gibt es auch viel Armut und das beschäftigt einen schon. Aber warten Sie doch mal einen Moment, ich habe Ihnen etwas mitgebracht“, sagt sie.

Überrascht bleibe ich vor dem Gartentor stehen und warte gespannt. Frau Hortmann kommt mit einen großen bunten Tuch zurück und reicht es mir. „Das mit der mehrarmigen Göttin wäre schwierig geworden, und so haben wir uns gedacht, sie freuen sich darüber auch. Es ist ein echter indischer Seidenschal. Den haben wir extra für Sie gekauft.“
Ich bin sprachlos und schlucke erst einmal den Kloß hinunter, der mir im Hals steckt.

Nachdem ich mich überschwänglich bedankt habe, verstaue ich das Tuch
in
meinem Postauto und fahre los. Dann kullern mir die Tränen über die Wangen. Ich bin so gerührt, dass ich erst mal ein paar Minuten brauche, um den nächsten Kunden anzusteuern. Da fährt eine Familie in den Urlaub nach Indien und denkt an mich, die kleine Postbotin. Wahnsinn! Ich freue mich wie irre und nachdem ich mich ein bisschen gefangen habe, kann ich auch wieder weiterarbeiten. Den indischen Schal habe ich heute noch und immer wenn ich ihn sehe, denke ich an die Familie Hortmann. Das sind so Momente aus meinem Arbeitsleben, die mein Herz berührt haben. Was für eine schöne Geste, die ich nie vergessen werde.

 

November-Blues?

Dann habe ich etwas für euch. Ab sofort gibt es ALLE Teile der Fire Devils MC-Serie zu je 99 Cent. Das Angebot gilt bis Sonntag und ist eine gute Möglichkeit für alle, die die Jungs vom MC aus Dreamtorn noch nicht kennen, oder diejenigen, die die Reihe vervollständigen wollen. Mit den Members und ihren Ol`Ladys könnt ihr dem November-Blues entfliehen. Garantiert!

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99 Cent

XXL Leseprobe für Unentschlossene

DARK HOURS Hulk und Claire
(Der Fire Devils MC 8)

Hulk
Bei dem Versuch, meinen Kopf zu heben, blitzte es hinter meinen geschlossenen Lidern. Ein unbeschreiblicher Schmerz durchzuckte mich. Ich stöhnte auf. Mein Schädel dröhnte und mein Körper fühlte sich an, als hätte ihn jemand mit Sandsäcken beschwert.
Ich war tot!
Fühlte sich tot sein so an?
Definitiv konnten Tote nicht stöhnen. Oder hören …
»He, Arschloch!«
Jemand stieß mich an.
»Ist er wach?«, hörte ich eine andere Stimme fragen.
»Keine Ahnung, Boss. Das Weichei verträgt weniger, als ich dachte. Aber ein Eimer kaltes Wasser wird ihn schon aufwecken.«

Ich steckte in Schwierigkeiten.
Großen Schwierigkeiten. Fuck!
»Wenn er nicht sofort zu sich kommt, können wir ihn gleich in Säure einlegen …«
»Untersteht euch! Er schuldet mir Geld. Wenn ihr ihn verschwinden lasst, sehe ich keinen verdammten Cent davon.«

Langsam dämmerte es mir. Immer noch unfähig, mich zu bewegen, begann zumindest mein Gehirn wieder zu arbeiten. Ich hatte die halbe Nacht im Casino verbracht.
Hatte gespielt, gewonnen, verloren … und weiter gespielt.
Das nächste Mal gewinnst du wieder, hatte ich mir selbst gesagt. Ganz bestimmt!
Hände packten mich und zerrten mich hoch. Es würde mir nichts nutzen, wenn ich weiter den Toten mimte. Unter größter Anstrengung gelang es mir endlich, die Augen zu öffnen.

»Na, wer sagt’s denn? Da ist er ja!«, brummte ein Kerl im schwarzen Anzug.
Ich sah in das Gesicht eines Schlägertypen. Das erkannte ich sofort. Keine Gnade in seinen Augen. Ein Mann, der ohne zu zögern seine großen Hände um meinen Hals legen würde, um mich zu erwürgen. Ich steckte knietief in der Scheiße!

Ein anderer Mann schob sich in mein Gesichtsfeld. Auch er sah nicht aus, als könnte man mit ihm kuscheln.
»Du hast einen Kredit beansprucht. Schon vor drei Tagen«, knurrte er. »Die Kohle ist fällig, Kumpel. Mit Zinsen!«

»Ich … ich bezahle. Ich schwöre …«, krächzte ich und hasste es, wie jämmerliche meine Stimme klang.
Ein höhnisches Lachen war seine Antwort. »Und wie, wenn ich fragen darf? Du warst in den letzten Tagen nicht gerade der Gewinner. Die Zinsen haben sich verdoppelt. Und mit jedem Tag, den ich auf mein Geld warten muss, erhöht sich die Summe um weitere fünfzig Prozent.«

Clubhaus der Fire Devils, Dreamtown
»Kann mir jemand sagen, wo dieser verdammte Scheißkerl Hulk sich herumtreibt?«, knurrte Iron und blickte in die Runde. Ratlose Gesichter sahen ihm entgegen.
»Das darf doch nicht wahr sein. Kann der Arsch nicht einmal im Leben pünktlich sein?«, wetterte der Pres weiter.

Frisco raunte Navy, der neben ihm saß zu: »Keine Ahnung, was mit Hulk los ist, aber in letzter Zeit lässt er es ziemlich krachen, findest du nicht.«
Navy nickte bestätigend. »Ich mache mir langsam Sorgen um ihn. Er ist unpünktlich und unzuverlässig geworden. Ganz zu schweigen davon, dass er auch noch beschissen aussieht.«
»Ist mir auch schon aufgefallen. Alex meinte sogar, dass alles Make-up dieser Welt nicht ausreichen würde, um seine Augenringe zu überschminken.«
Navy gab ein zustimmendes Grunzen von sich, was sofort Irons Aufmerksamkeit erweckte. »Findet ihr das witzig?«, fragte er angepisst und blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr.
»Wozu brauchst du ihn so dringend?«, fragte Dave.
»Er sollte mit Enya und den Zwillingen zum Arzt fahren. Und wenn er nicht sofort hier aufschlägt, kann ich meinen Termin mit dem Architekten knicken.«
»Ich kann das übernehmen. Echt, Mann, ich mach das gerne«, sagte Dave.
Iron sah erleichtert aus. Er wusste, dass Frisco und Navy gleich ihren Dienst im Red Velvet antreten mussten und sein eigener Termin war wichtig. Allerdings hatte er Enya versprochen, dass einer der Jungs sie zum Kinderarzt begleiten würde. Nicht nur, weil es schwierig genug war, mit zwei Kleinkindern vom Parkplatz zur Arztpraxis zu laufen, sondern auch, weil er seine kleine Familie ungern allein in der Stadt wusste.
»Danke Dave. Wenn ich nicht diesen Termin hätte, würde ich Enya selbst begleiten …«
»Kein Problem, Pres. Ich weiß: Das Bikes & Dreams«, antwortete der Biker, schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg.

Navy fragte: »Glaubst du, dass die Stadt uns das genehmigt?«
Er spielte auf den geplanten Wiederaufbau der Kneipe an, die damals durch eine Bombe in Schutt und Asche gelegt worden war.
Iron machte eine vage Kopfbewegung: »Ich hoffe es. Der Bürgermeister hat bereits zu verstehen gegeben, dass er uns keine Steine in den Weg legt. Allerdings muss der Antrag noch bei der Stadtratssitzung durchgewunken werden.«
Blood klopfte seinem besten Freund aufmunternd auf die Schulter. »Das wird genehmigt. Keine Sorge. Wenn wir Roaling auf unserer Seite haben, stehen die Chancen mehr als gut. Das bedeutet aber natürlich auch, dass eine enorme finanzielle Belastung auf den Club zukommt.«

Iron wandte sich an Navy: »Kannst du eine Church einberufen, Bro? Heute Abend, acht Uhr. Blood und ich müssen jetzt los.«
Navy nickte. »Wird erledigt.« Er zog sein Mobiltelefon hervor, tippte eine kurze Nachricht und schickte sie an sämtliche Members.
Sofort piepsten die Handys der anwesenden Männer. Frisco grinste. »Mir hättest du keine SMS schicken müssen, ich habe es ja eben gehört. Komm, lass uns fahren. Die Pflicht ruft.«

Die beiden Biker starteten soeben ihre Harleys, als Hulk auf seiner Maschine in den Hof gefahren kam.
Er nahm seinen Helm ab und Navy stutzte. Er gab Frisco ein Zeichen, und stellte sein Bike wieder ab.
»Fuck, Bro, was ist mit dir passiert? Bist du unter einen Truck geraten?«
Hulk sah müde und völlig fertig aus. Anders als sonst, riss er nicht gleich seine vorlaute Klappe auf, sondern winkte ab. »Mir geht es gut.«
»Ja, klar, du siehst aus, wie das blühende Leben«, witzelte Frisco, doch er machte ein besorgtes Gesicht. »Mensch, Hulk, was ist los? Du bist zu spät – und nebenbei gesagt, Iron ist echt sauer deswegen. Du hast eindeutig ein Problem!«

»Ach, verpisst euch. Ich komm schon klar«, brummte Hulk und stieg die Stufen zum Clubhaus hinauf.
Navy und Frisco sahen sich an und zuckten mit den Schultern. Sie hatten keine Zeit mehr, Hulk in die Mangel zu nehmen, und machten sich auf den Weg ins Red Velvet.

Hulk
Im Clubhaus war nur noch J. J., der wie immer am Laptop saß und scheinbar etwas Wichtiges recherchierte, denn er sah nicht einmal auf, als ich eintrat. Mir war es recht. Die blöden Fragen meiner Brüder draußen im Hof hatten mir gereicht. Ich fühlte mich tatsächlich, als wäre ich gegen einen Truck geknallt, und ich ging jede Wette ein, dass mindestens eine meiner Rippen angeknackst war, denn bei jedem Atemzug, hatte ich das Gefühl, ein Messer bohrte sich in meine Lunge.
Nachdem die Typen mich endlich hatten gehen lassen, musste ich wählen, ob ich nach Hause fahren oder mich lieber im Clubhaus aufs Ohr legen wollte. Meine Mum wäre vermutlich tot umgefallen, wenn sie mich so gesehen hätte, also wählte ich das kleinere Übel.
Mit etwas Glück konnte ich ungehindert in eines der hinteren Zimmer verschwinden. Ich brauchte dringend ein paar Stunden Schlaf. Außerdem musste ich nachdenken.

Ich warf mich auf das Bett und stöhnte laut auf. Mein Schädel fühlte sich an, als würde er gleich platzen. Wie befürchtet, konnte ich nicht einschlafen. Stattdessen starrte ich an die Decke und versuchte zu ergründen, warum ich so ein Idiot war. Wann genau hatte das mit der Spielerei angefangen? Warum eigentlich? War mein Leben vielleicht zu glatt gelaufen, weil ich mich mit offenen Augen ins Verderben gestürzt hatte? Ich schnaubte angesichts der Ironie.
Irgendwann musste ich doch eingeschlafen sein, denn als es an die Tür klopfte, schreckte ich hoch. Orientierungslos sah ich mich um und wollte mich aufrichten, da fuhr mir ein schneidender Schmerz in die Brust. Hilfe! Ich konnte kaum atmen.
J. J. steckte den Kopf ins Zimmer. »Bro, alles okay mit dir?«
Ich grummelte etwas Unverständliches, bemüht, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen. Mein Kumpel trat ein, er hielt mir ein Glas Wasser hin. In der anderen Hand lag eine Tablette. »Hier, Navy hat mich angerufen, er meinte, du könntest eine Vicodin vertragen, und so wie ich das sehe, hat er absolut recht.«
Die Zähne zusammenbeißend, setzte ich mich auf und unterdrückte ein Stöhnen. Fuck! Ich brauchte mehr als eine Schmerztablette …
»Danke«, presste ich hervor und legte mir die Kapsel auf die Zunge. Unter großen Schmerzen nahm ich das Glas, bemüht, nicht zu kotzen, während die Tablette sich meine Speiseröhre hinunter quälte.
»Was ist los mit dir?«
Kann ich dir nicht sagen.
J. J. sah mich auffordernd an, doch ich schüttelte nur den Kopf.
Schließlich zuckte er mit den Schultern und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Wenn du in Schwierigkeiten steckst, wirst du es uns sagen, oder? Du weißt, dass du nicht allein damit fertig werden musst!«
»Hau ab und lass mich in Ruhe«, knurrte ich und ließ mich zurückfallen.
»Ah …«, entfuhr es mir, doch J. J. war schon weg und hatte es zum Glück nicht gehört.
Schöne Scheiße. Ich war am Arsch.

Kings Club Casino, Dreamtown
Ed riss sich von der Tabelle los, die er studierte, als es an der Tür klopfte. Garry, der Chef seiner Sicherheitscrew, kam herein. »Ed, wir haben ihn nach Hause geschickt, wie du es befohlen hast. Wie geht es jetzt weiter mit dem Kerl?«
Nachdenklich klopfte Ed mit seinem Kugelschreiber auf die Schreibtischplatte. »Was denkst du, kommt er wieder?«
Garry nickte überzeugt. »Oh ja, er kann gar nicht anders. Außerdem wissen wir, wo er wohnt. Ich habe ihm eine kleine Warnung mit auf den Weg gegeben, also keine Sorge. Dein Geld ist nicht verloren.«
»Wissen wir inzwischen, wann die Lieferung eintrifft?«, fragte Ed.
»Unser Kontaktmann sagt, dass er morgen liefern kann.«
Ed stand auf und umrundete den Schreibtisch. »Okay, dieser Biker soll es machen. Und, Garry, mach ihm klar, dass er keine Wahl hat!«
»Wird erledigt, Boss«, antwortete Garry und verließ das Büro.
Im Casino wurde fleißig geputzt, gesaugt und alles auf Vordermann gebracht. In zwei Stunden würden sich die Türen der großen Halle öffnen und der Betrieb an den Automaten beginnen. Vormittags war meistens noch nicht viel los. Ein paar frustrierte Hausfrauen saßen an den einarmigen Banditen und einige Spielsüchtige lungerten herum, in der Hoffnung, dass heute der große Tag für sie war.
Ed machte sein Geld mit der Hoffnung der Menschen. Viel Geld.
»Ed, ich brauche die Abrechnungen des gestrigen Abends.«
Claire, Eds Schwester, öffnete mit Schwung die Tür und platzte, ohne zu klopfen, herein. Sie war die Einzige, die das durfte.
Ed hielt ihr einen Stapel Papier entgegen und lächelte sie an. Sie war alles, was von seiner Familie übrig geblieben war und er behütete sie wie seinen Augapfel. Was ihm Sorgen machte, war, dass sie darauf bestand, im Casino hinter der Bar zu stehen. Das hätte sie gar nicht nötig, und doch verbrachte sie jede Nacht damit, die Gäste zu bedienen. Natürlich blieb es nicht aus, dass sie angemacht wurde, ganz zu schweigen von den gierigen Blicken mancher Männer. Ed schäumte bereits vor Wut, wenn er nur daran dachte, deshalb startete er einen neuen Versuch, sie dazu zu bringen, sich nur noch auf die Büroarbeiten zu konzentrieren.
»Claire, ich habe gehört, dass du gestern wieder mal alle Mühe hattest, einen betrunkenen Gast abzuwehren …«
Claire, die gerade im Begriff war, mit der Abrechnung in der Hand das Büro wieder zu verlassen, blieb abrupt stehen und drehte sich auf dem Absatz um.
»Eddy«, sprach sie ihn mit dem Kosenamen an, den nur sie verwendete und zog seinen Namen in die Länge. Dann rümpfte sie die Nase. »Hatten wir diese Diskussion nicht erst letzte Woche … und vorletzte Woche, und die Woche davor?!«
»Aber du weißt, dass mir das nicht gefällt!«, sagte er bestimmt und stand auf. Er umrundete seinen Schreibtisch und trat zu ihr. Wenn sie nicht so verdammt hübsch wäre …
Er zog seine Schwester an sich und murmelte: »Ich kann es nicht ertragen, diese Gaffer und Schleimer, die dich anbaggern und mit ihren Blicken ausziehen. Bleib doch einfach im Büro und lass die Mädchen, die wir dafür eingestellt haben, hinter der Bar arbeiten.«
»He, großer Bruder, ich liebe dich, und ich weiß, du liebst mich auch. Aber ich bin ein großes Mädchen und ich mag diesen Job nun mal. Wenn ich mittendrin im Geschehen bin, habe ich den besseren Überblick. Ich bin kein Büromäuschen und außerdem haben wir genug Sicherheitspersonal. Du kannst also ganz cool bleiben. Mir wird nichts passieren!«

Ed küsste sie auf die Stirn und sah sie zweifelnd an. Sie war so verdammt stur und uneinsichtig. Aber er musste zugeben, dass sie auch ein Magnet war, der reiche Gäste geradezu an die Bar zog. Wenn sie gewannen, waren sie äußerst großzügig und orderten den teueren Champagner, der über vierhundert Dollar die Flasche kostete. Er seufzte. »Okay, ein Versuch war es wert.«
Claire lächelte, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Lass mich mein Ding machen, und ich lasse dich dein Ding machen. Schließlich frage ich dich nicht, was du immer so Wichtiges zu erledigen hast, das die ganze Nacht dauert.«
Dann verließ sie das Zimmer.
Ed blickte ihr nach.

Claire
Ich wusste ja, dass er sich ehrlich um mich sorgte, und irgendwie war es auch süß, aber dass er immer wieder damit anfing, nervte mich. Ich sah mich als Chefin hinter der Bar. Der große Boss, mein Bruder Ed, ließ sich selten im Casino blicken. Meist agierte er von seinem Büro aus, in dem Bildschirme das Treiben in sämtlichen Arealen des Casinos zeigte.
Angefangen hatten unsere Eltern mit einer kleinen Spielhalle, in der nur Automaten standen. Im gleichen Maße wie die Zahl der Besucher wuchs, investierte Ed, nach deren Tod. Er baute einen exklusiveren Bereich an, in dem auch nicht spielenden Gästen Unterhaltung geboten wurde. Hier gab es eine Kleiderordnung und nicht jedem wurde der Eintritt gewährt. Mein Job machte mir Spaß, und wenn man es ganz genau nahm, waren die Gäste in diesem Teil des Casinos geradezu anständig. Vorne, wo viele junge Leute herumlungerten, kam es öfter zu Raufereien und Auseinandersetzungen. Aus diesem Grund wurde hier auch nicht bewirtet, sondern die Gäste konnten sich Getränke und billige Gerichte an der Imbisstheke holen.
Ich steuerte mein Büro an und stieß beinahe mit Garry zusammen.
»Sorry, Claire«, entschuldigte er sich und grinste mich an.
»Ich muss mich entschuldigen, ich war völlig in Gedanken«, entgegnete ich.
Seine Hand lag noch immer auf meinem Arm und auch wenn ich ihn mochte, das war mir eindeutig zu intim. Garry versuchte öfter, mich zu berühren.
Immer wieder. Scheinbar unauffällig.
Bisher hatte ich es vermieden, ihn zurechtzuweisen, doch jetzt wanderte mein eisiger Blick direkt von seiner Hand zu seinem Gesicht.
Sofort zog er sie weg. Ich ließ es dieses Mal unkommentiert, doch ich nahm mir vor, das nächste Mal etwas zu sagen.
»Ich muss weiter, der Boss erwartet mich …«, stammelte er und drängte sich an mir vorbei.
Mein Bruder führte das Geschäft mit strenger Hand. Wenn ich im erzählen würde, dass Garry mich gegen meinen Willen ständig berührte, würde er ihn feuern – oder schlimmer: Zuerst zusammenschlagen lassen und dann feuern! Ich würde Ed nichts sagen, sondern die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen.
Als ich endlich hinter meinem Schreibtisch saß, seufzte ich. Natürlich war es großartig, dass die Einnahmen sprudelten, doch manchmal hatte ich ein schlechtes Gefühl dabei. Wir führten unser gutes Leben deswegen, weil nicht selten ein anderer Mensch seinen letzten Groschen verspielte, und das nur, weil er glaubte, das nächste Mal würde er gewinnen. Glücksspiel machte süchtig und konnte Existenzen vernichten, Familien und Beziehungen ruinieren und Menschen, die alles verloren hatten, in den Selbstmord treiben. Ed würde mich auslachen, wenn er von meinen Gewissensbissen wüsste …
Aus diesem Grund sprach ich mit ihm auch nicht darüber. Ich wusste, dass die Gedanken bald wieder verflogen, denn meistens gelang es mir, zu vergessen, womit wir unser Geld verdienten.
Laute Stimmen ließen mich aufhorchen. Ich stand auf und lugte hinaus. Zwei unserer Sicherheitsleute standen direkt unter meinem Fenster und unterhielten sich lautstark. Ich bekam nur Wortfetzen mit, doch das, was ich hörte, beunruhigte mich. Auch wenn ich kein naives kleines Mädchen war, als die Worte Drogenlieferung, Übergabe und Geld eintreiben, fielen, zuckte ich zusammen. Schon lange ahnte ich, dass Ed auch noch andere Geschäfte abwickelte. Die Art von Geschäften, über die man nicht sprach – zumindest nicht mit seiner kleinen Schwester. Die Art von Geschäften, die wirklich gefährlich waren. Bisher hatte ich mir eingeredet, dass es besser wäre, wenn ich nichts darüber wusste. Jetzt hörte ich unfreiwillig mehr, als mir lieb war, doch ich war eigenartig fasziniert und lauschte weiter. Eine Mischung zwischen Schock und Neugierde hielt mich mit angehaltenem Atem und klopfendem Herzen an Ort und Stelle.
Ed stieß dazu und mir wurde schlecht, als ich die Tragweite dessen, erfasste, was er sagte.
»Der Kerl von letzter Nacht – sobald er wieder auftaucht, gebt ihr mir Bescheid. Inzwischen dürfte ihm klar sein, dass er bis zum Hals in der Scheiße steckt. Um seine Schulden bei mir abzuarbeiten, wird er zukünftig die Lieferungen übernehmen. Falls er zögert, macht ihr ihm deutlich, dass er von jetzt an keine ruhige Minute mehr haben wird. Garry, du versuchst, so viel wie möglich über ihn herauszufinden. Familie, Freunde, Freundin … alles was wir gegen ihn verwenden können.«

Als die Männer sich entfernten, musste ich mich setzen. Von welcher Lieferung hatte Ed gesprochen? Und, seit wann hatte er es nötig, jemanden zu zwingen und zu bedrohen? Was lief da?
Mir war klar, dass ich mit meiner Vogel Strauss Methode, nämlich: Einfach den Kopf in den Sand zu stecken, viel zu viel ignoriert hatte. Ich hatte Ed machen lassen und wollte gar nicht mehr wissen, als das, was er mir freiwillig erzählte. Doch jetzt hatte ich ein blödes Gefühl im Bauch, welches mir sagte, dass hier einiges faul war.

Clubhaus der Fire Devils, Dreamtown
Hulk
Diese verdammten Arschlöcher hatten genau gewusst, wohin sie treten und schlagen mussten, damit man mir nicht ansah, was los war. Mein Gesicht hatten sie verschont, dafür sah der Rest meines Körpers aus, als wäre ich in einen Hurrikan geraten.
Nachdem die Tablette endlich wirkte, beschloss ich, unter die Dusche zu gehen. Ich musste einen klaren Kopf bekommen. Meine Klamotten warf ich an Ort und Stelle zu Boden und besah mich im Spiegel. Mein Brustkorb schillerte dunkelrot und blau. Tiefes Einatmen war nicht drin, ohne einen höllischen Stich in der Brust zu spüren. Ich drehte mich ein wenig zur Seite und betrachtete meine Rückenansicht. Die sah nicht viel besser aus. Schöne Scheiße!
Als ich, nur mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad kam, erwartete mich Iron. Fuck!
Er musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Was?!«, fragte ich ungehalten, weil mir sein Schweigen Unbehagen bereitete.
»Du solltest heute Enya begleiten. Schon vergessen?«, sagte er und seine Stimme klang eisig.
Shit, verdammt. Das hatte ich total vergessen. Weil mir alles, was ich als Entschuldigung vorbringen hätte können, absolut idiotisch erschien, beschloss ich, auf Zeit zu spielen, und zog mich an. Natürlich konnte er meine Blessuren sehen, das ließ sich nicht vermeiden.
»Steckst du in Schwierigkeiten, Hulk, oder stehst du neuerdings auf Schmerzen?«, fragte er.
Ich brummte etwas unverständliches und drehte ihm den Rücken zu.
»Hulk! Ich habe dich etwas gefragt!«
»Sorry«, murmelte ich und meinte damit meinen verpassten Auftrag. »Wird nicht wieder vorkommen. Ehrlich, Pres.«
Doch so leicht wollte Iron mich anscheinend nicht davonkommen lassen, denn er umrundete mich, und baute sich demonstrativ vor mir auf. Er hatte ja auch recht. Ein Befehl war ein Befehl, und ich hatte seine Ol’ Lady hängen lassen. Das ging gar nicht. Aber was hätte ich zu meiner Entschuldigung vorbringen können? Die Wahrheit etwa?
Nein. Das kam nicht infrage. Meine Spielschulden waren mein Problem und ich würde diese Sache klären. Der Club brauchte nichts davon zu wissen.
»Lass es gut sein, Pres«, bat ich zähneknirschend. »Ich hab das im Griff.«
In seiner Miene erkannte ich, dass er an meiner Aussage starke Zweifel hatte, doch anscheinend gab er sich vorerst damit zufrieden und warf mir nur einen skeptischen Blick zu, bevor er das Zimmer verließ.
Ich stöhnte auf. Mir meine Schmerzen nicht anmerken zu lassen, hatte mich alle Beherrschung gekostet, die ich aufbringen konnte. Als die Tür hinter Iron zufiel, ließ ich mich auf das Bett sinken.
Mein Blick fiel auf mein Mobiltelefon, welches neben mir lag und ich las die eingegangene SMS: Church, heute, acht Uhr. Anwesenheitspflicht!
Hoffentlich ging es nicht um mich. Ich konnte gerade noch gebrauchen, dass sämtliche Members auf mich einredeten und kluge Sprüche vom Stapel ließen.
Ich war immer noch hundemüde und hatte noch ein paar Stunden Zeit, also ließ ich mich zurückfallen und versuchte zu schlafen. Aus dem vorderen Bereich des Clubhauses drang Musik an meine Ohren …
Als ich aufwachte, war es um mich herum dunkel. Ich schreckte hoch. Halb blind tastete ich nach dem Handy und stellte fest, dass die anberaumte Church in wenigen Minuten stattfinden würde. Innerlich wappnete ich mich, für den Fall, dass die Besprechung mir galt, und begab mich in den großen Clubraum.
Die meisten meiner Brüder waren bereits da. Dave, mein Kumpel, kam auf mich zu und schlug mir auf die Schulter. »Na, Bro, eine heiße Nacht gehabt?«
Mit zusammengebissenen Zähnen unterdrückte ich einen Schmerzenslaut.
Wenn ich das nur behaupten könnte …
»Schnauze!«, fuhr ich ihn an und hoffte, er verstand, dass ich keinen Bock auf seine blöden Sprüche hatte.
Bevor Dave etwas erwidern konnte, schlugen Iron und Blood auf. Mit einem Handzeichen gab der Pres zu verstehen, dass er uns in der Chapel erwartete und ging voran in das Allerheiligste des Clubs.
Stühle wurden gerückt und nachdem endlich alle saßen, eröffnete Iron die Church.
»Ich habe mich heute mit dem Architekten getroffen und danach ein Gespräch mit dem Bürgermeister geführt. Ihr wisst, worum es geht, oder?«
Blood stand auf und verteilte ein paar Blätter. Es waren Pläne.
»Hier habt ihr den vorläufigen Entwurf. Änderungen sind natürlich noch möglich. Seht euch das mal an und dann erwarte ich eure Vorschläge«, sagte Iron.

Natürlich. Mir fiel wieder ein, dass der Club das Bikes & Dreams wieder aufbauen wollte. Schon seit Wochen wurde darüber gesprochen und heute war dieser Ortstermin.
Mein Interesse an den Plänen hielt sich in Grenzen. Sollten die Jungs ruhig darüber diskutieren, mir war alles recht. Meine eigenen Probleme hingegen beschäftigten mich sehr. Ich schuldete dem Inhaber des Casinos zehntausend Dollar. Zuerst hatte ich kleinere Beträge gewonnen und mich verleiten lassen, immer mehr Geld einzusetzen. Irgendwann war meine Glückssträhne zu Ende und ich verlor alles. Keine Ahnung, wann genau ich aufgehört hatte, klar zu denken. Das Angebot des Betreibers, mir Geld zu leihen, war zu verlockend gewesen. Das nächste Mal gewinne ich wieder, hatte ich mir gesagt und Geld eingesetzt, welches mir nicht gehörte und für das ich einen saftigen Zinssatz zu bezahlen hatte.
Ich saß komplett in der Scheiße. Mein Schuldenberg türmte sich und schließlich hatten mich die Sicherheitsleute des Casinos zur Seite genommen und mir erklärt, dass ich nicht mehr kreditwürdig war.
Schlimmer noch: dass ich die zehntausend Dollar zurückzuzahlen hatte. Den Ernst der Lage untermauerten sie damit, dass sie mich verprügelten wie einen streunenden Hund. Gegen zwei Männer, die mich mit eisernem Griff hielten, während der dritte mich als Boxsack benutzte, waren meine Chance gleich null, auch wenn ich mich normalerweise durchaus zu wehren wusste.

Trouble stieß mich an, er saß rechts neben mir. Ich zuckte und biss die Zähne zusammen.
»He, was hältst du davon?«, fragte er mich in seiner jugendlichen Unschuld und wedelte mit dem Plan vor meine Nase herum. Als ob mich das auch nur im Geringsten interessieren würde. Ich hatte andere Probleme. Ungehalten knurrte ich: »Das ist mir so was von egal.«
Erstaunt musterte mich Trouble, dann zuckte er mit den Schultern und wandte sich an Turbo, der zu seiner Rechten saß.
Dave kniff die Augen zusammen und flüsterte: »Sag mal, Bro, was ist dir für eine Laus über die Leber gelaufen?«
Was hatten die heute bloß alle? Konnten sie mich nicht einfach nur in Ruhe lassen?
Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und lehnte mich zurück. Anwesenheitspflicht hieß lediglich, dass ich hier sein musste. Kein Mensch konnte mich zu Small Talk zwingen. Ich würde mir einfach anhören, was Iron zu sagen hatte, und dann so schnell wie möglich das Weite suchen.
Kings Club Casino
Claire
Den ganzen Tag waren mir die Worte nicht aus dem Kopf gegangen. Ich wurde einfach nicht schlau daraus und ertappte mich dabei, dass ich mich selbst fragte, ob ich vielleicht zu naiv war.
Dank des Casinos, welches uns unsere Eltern vererbt hatten, lebten Ed und ich sehr sorgenfrei. Besser gesagt, wir führten ein Luxusleben. Was immer ich mir kaufen wollte, konnte ich mir leisten. Mein Bruder ermutigte mich oft dazu, mir etwas zu gönnen, und für mich war es immer selbstverständlich gewesen, genug Geld zur Verfügung zu haben. Ein Bentley Cabriolet mit Sonderlackierung und Exklusivausstattung war für mich genau so normal, wie die Prada Handtasche und die Schuhe von Manolo Blahnik. Ich hielt mich nicht für verwöhnt, denn schließlich arbeitete ich für mein Geld. Dass ich es mir nicht mit schwerer Arbeit verdienen musste, sondern das Glück hatte, meinen Job gerne zu machen, war für mich selbstverständlich.

Es wurde Zeit, mich hinter die Bar zu begeben. In wenigen Minuten würden die ersten Gäste in den exklusiven Teil des Casinos strömen und ich wollte sie wie jeden Tag mit einem Lächeln empfangen.
Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel. Make-up und Haare waren perfekt, das Kleid umschmeichelte meinen Körper und ich war bereit.
Natürlich mochte ich die begehrlichen Blicke der Männer, solange sie nicht aufdringlich wurden. Ich war kein billiges Mädchen, welches ihren Körper zur Schau stellte, ich war eine Frau, die etwas auf sich hielt und sich gerne hübsche Kleider anzog. Ed hatte das Sicherheitsteam angewiesen, immer ein besonders wachsames Auge auf mich zu haben, das wusste ich.
In diesem Teil der Spielbank gab es sehr selten Probleme. Die Drinks waren teuer. Zu spielen und sich zu betrinken, konnte an einem Abend eine Menge Geld verschlingen und war außerdem unter den Mitgliedern der High Society von Dreamtown verpönt. Sie benahmen sich anständig. Meistens jedenfalls.
Draußen in der Halle mit den einarmigen Banditen, den Bildschirmen mit den Pferde- und Sportwetten und anderen Spielautomaten wurde öfter mal gepöbelt. Viele Arbeitslose oder frustrierte Hausfrauen versuchten dort tagsüber schon ihr Glück und auch wenn die Gewinne, welche die Automaten hin und wieder ausspuckten, lächerlich gering waren – sie kamen fast täglich in der Hoffnung eines Tages den Jackpot zu kacken.

»Hi Claire«, begrüßte mich Lou, die bereits die Gläser polierte, und sie in die Glasregale stellte.
»Hi«, grüßte ich und lächelte sie an. Mit Lou zu arbeiten machte Spaß. Sie war witzig, schlagfertig und äußerst beliebt bei unseren männlichen Gästen.
Ich schlüpfte hinter den Tresen und schnappte mir ein Tuch, um ihr zu helfen.
Im Hintergrund war gedämpfte Musik zu hören, denn noch waren keine Gäste hier, sodass der Geräuschpegel angenehm niedrig war. Nach und nach trudelten die anderen Angestellten ein. Der Mann für den Black Jack Tisch, die Männer, welche für die Roulettetische zuständig waren und unser Pokergenie Jason. Er zwinkerte mir im Vorbeigehen zu.
»Er steht total auf dich«, flüsterte Lou. Ich nickte.
»Und? Wirst du ihn irgendwann erhören und mit ihm ausgehen?«, wollte sie wissen.
»Nein. Du kannst ihn haben«, antwortete ich leichthin. »Er ist ein netter Kerl, aber nett ist bekanntlich die kleine Schwester von langweilig«, fügte ich hinzu.
»Ach komm schon, Claire, wie müsste der Kerl denn sein, der dein Herz erobern könnte?«, stichelte Lou.
Ich dachte nach. Wie müsste der Typ sein, auf den ich mich einlassen würde?
»Ehrlich, ich habe keine Ahnung«, antwortete ich wahrheitsgemäß und wischte mit einem feuchten Lappen über das Mahagoniholz. »Aber wenn ich ihn gefunden habe, sage ich dir Bescheid.« Ich zwinkerte ihr zu. Lou war gleichzeitig eine gute Freundin, und ich nahm an, dass ich ihr tatsächlich als Erste erzählen würde, wenn ich einen Mann treffen würde, dem es gelang, meine Gefühle in Aufruhr zu bringen.
Clubhaus der Fire Devils, Dreamtown
Hulk
Inzwischen war die Luft in der Chapel rauchgeschwängert und der Geräuschpegel beachtlich. Alle schienen irgendetwas zu den Plänen zu sagen zu haben, nur ich nicht.
Ich wollte nach Hause, mir gepflegt ein paar Bier hinter die Binde kippen und schlafen.

Iron räusperte sich und klopfte mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte.
»Alle mal herhören. Die Pläne sind nicht der einzige Grund, warum ich eine Church einberufen habe. Es gibt noch ein paar andere Dinge zu besprechen. Und zwar geht es um die Finanzierung. Seit das Bikes & Dreams explodiert ist, fehlen natürlich auch diese Einnahmen in unserer Clubkasse. Das Red Velvet läuft zum Glück gut, das Devils Wheels Costumbikes auch, aber …«

Ich horchte auf. Welch Ironie, dass es heute ausgerechnet um Geld ging. Geld war auch mein ganz persönliches Problem im Moment. Und zwar ziemlich viel Geld. Sobald ich anfing, darüber nachzudenken, woher, zur Hölle ich verdammte zehntausend Dollar nehmen sollte, bekam ich Kopfschmerzen.

»Aber?!«, wiederholte Gonzo fragend und wartete darauf, dass der Pres fortfuhr.
»Es tut mir leid, euch das sagen zu müssen, aber wir müssen die Auszahlungen kürzen«, sagte Iron.

Fuck! Verdammt! Was sollte das? Hatte ich richtig gehört? Ich wollte gerade aufbrausen, da mischte sich Blood ein. Mit ruhiger Stimme erklärte er, dass die finanzielle Situation des Clubs im Moment nicht gerade rosig war. Eine Investition, wie der Bau einer neuen Kneipe, war nötig, würde aber bedeuten, dass jeder Member in den nächsten Monaten auf einen Teil seines Gehaltes verzichten musste.
Ich wollte verdammt sein, wenn ich das einfach so hinnahm, deshalb sprang ich auf. »Habt ihr sie noch alle?«, rief ich. »Dann wird diese verfickte Kneipe eben nicht gebaut. Ich brauche mein Geld!«
»He, Bro, spinnst du?!«, zischte Dave mir zu und zupfte an meiner Kutte. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Navys Gesichtsausdruck war unergründlich wie immer, Ragnar starrte mich mit ungläubigem Kopfschütteln an und Trouble verpasste mir unter dem Tisch einen Tritt gegen mein Schienbein.
Blood knurrte, doch der Pres legte ihm die Hand auf den Arm und beschwichtigte ihn. »Lass ihn ausreden, Blood. Es betrifft ihn genauso wie uns alle und jeder kann etwas dazu vorbringen.«
Der V. P. schwieg, doch der Blick, den er mir zuwarf, sprach Bände.
»Okay, Hulk, dann erzähl mal. Welche Einwände hast du? Bist du generell dagegen, dass wir das Bikes & Dreams wieder aufbauen, oder ist es etwas anderes?«, sagte Iron.
»Scheiße ja, ich kann nicht auf Geld verzichten«, schnauzte ich und dachte nicht daran, meinen Protest näher zu erläutern.
»Denkst du, uns fällt das leicht?«, fragte Chuck. »Aber wenn der Club nun mal im Moment schlecht bei Kasse ist, dann müssen wir eben alle in den sauren Apfel beißen. Wird schon wieder besser werden …«
Bestätigendes Gemurmel von allen Seiten. Meine Brüder waren anscheinend zwar nicht glücklich darüber, aber alle hatten vor, es hinzunehmen. Sie hatten ja auch nicht meine Probleme!
»Wir sind die letzten zwei Jahre ohne die Kneipe doch auch ganz gut ausgekommen. Also warum gerade jetzt?«, warf ich ein.
»Weil das unsere letzte Chance ist! Wenn wir nicht innerhalb der nächsten Wochen den Bauantrag einreichen, gibt es einen Änderungsbeschluss im Stadtrat, und das bedeutete, das Gelände darf nicht mehr bebaut werden. Somit hätten wir ein Grundstück am Hafen, mit dem wir nichts mehr anfangen können und welches sich auch nicht verkaufen lässt. Totes Kapital sozusagen. Verstehst du das?« Blood sah mich an, wie er Amy ansah, wenn er ihr etwas erklärte. Seine oberlehrerhafte Art machte mich rasend. Hielt er mich für blöd, oder was?
»Ich brauche das Geld!«, beharrte ich stur und hielt seinem Blick stand.
»Wofür? Du wohnst bei deinen Eltern und hast keine Kinder zu ernähren?«, fragte Blood provozierend.
»Das geht dich einen Scheiß an!«, schnauzte ich.

Ich würde mich hüten und dem Club von den Spielschulden erzählen, doch ich würde auch nicht so schnell klein beigeben.